Evangelische Pfarrgemeinde
Die Haltung der beiden führenden christlichen Konfessionen in Linz zum Nationalsozialismus war zwiespältig.
In weiten Teilen der zahlenmäßig deutlich kleineren evangelischen Gemeinde wurde der „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland euphorisch aufgenommen. Neben deutschnationalen Orientierungen spielte hier auch die Tatsache eine Rolle, dass die Zeit des prononciert katholischen „Ständestaates“ zwischen 1934 und 1938 als eine Periode der Unterdrückung empfunden wurde. In verschiedenen Aktionen bekundete die evangelische Kirchenleitung ihre Loyalität zum neuen politischen System.
Auch die offizielle katholische Kirche Österreichs begrüßte im März 1938 in einer „feierlichen Erklärung“ aller österreichischen Bischöfe offiziell den „Anschluss“. Die Kirchenführung knüpfte daran die Erwartung, ein Arrangement mit dem Nationalsozialismus zu finden, dem sie weltanschaulich durchaus kritisch gegenüberstand. Bereits im Jänner 1933 hatte der Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner in einem Hirtenbrief vor dem Nationalsozialismus gewarnt und es als Unmöglichkeit bezeichnet, „gleichzeitig guter Katholik und wirklicher Nationalsozialist zu sein“.
Für die katholische wie evangelische Kirche gleichermaßen erfolgte bald nach dem „Anschluss“ die Ernüchterung, als die eigentlichen Absichten der Kirchen- und Religionspolitik der Nationalsozialisten offenkundig wurden: Das Ziel der NS-Machthaber war, das gesamte öffentliche Leben mit dem faschistischen Gedankengut zu durchdringen und eine Neuformierung der Gesellschaft zu erreichen. Der traditionelle kirchliche Festkalender sollte ersetzt, die Kirchen insgesamt zu reinen Privatvereinen degradiert werden. Ein neues Kirchenbeitragsgesetz schrieb vor, dass die Kirchen den Kirchenbeitrag als ihre zentrale Finanzierungsgrundlage selbst einheben mussten. Zudem erfolgte eine Welle tiefgreifender staatlicher Eingriffe in kirchliche Rechts- und Besitzverhältnisse.
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