Die Rolle der Sicherheitsexekutive bei der Entnazifizierung: Aktenbestände und Bestandslücken

Autor: Winfried Garscha

Polizei

Die Rolle der Staatspolizei bei der Entnazifizierung ist immer noch mit der Aura des Geheimnisvollen umgeben, obwohl die so genannten „Gauakten“ (Personalakten der NSDAP-Gauleitungen Wien und Niederdonau) seit langem im Österreichischen Staatsarchiv aufbewahrt werden und auch die Person des ersten, kommunistischen Leiters der Staatspolizei, Heinrich Dürmayer, historisch erforscht ist. Einer der Gründe hierfür ist der Umgang der Sicherheitsverwaltung mit ihren eigenen Akten: Sie wurden zum Großteil (noch?) nicht an das Staatsarchiv abgegeben, und nachdem Innenminister Franz Löschnak 1994 ein Forschungsprojekt zur Erschließung dieser Akten initiiert hatte, wurde von Beamten des Ministeriums gegenüber den vom Ministerium beauftragten Forscher/inn/en sogar die Existenz dieser Akten bestritten. Während beispielsweise Erika Weinzierl bereits 1980 eine fundierte Analyse des Wideraufbaues der Justizverwaltung – gestützt auf die Präsidialakten des Bundesministeriums für Justiz – vorlegen konnte, stehen derartige Präsidialakten, aber auch sonstige Bestände, für den Bereich des Innenministeriums nicht zur Verfügung.
Im vorliegenden Beitrag wird versucht, auf der Grundlage einer 1971 mit Unterstützung des damaligen Wiener Polizeipräsidenten Josef Holaubek entstandenen Dissertation von Ulrike Wetz, der noch zahlreiche heute verschollene Akten der Bundespolizeidirektion Wien zur Verfügung standen, sowie mit Hilfe von Dokumenten über den polizeilichen Hilfsdienst der Roten Armee die Rolle der Sicherheitsexekutive bei der Entnazifizierung nachzuzeichnen. Eine weitere wichtige Quelle sind die Akten der Volksgerichtsverfahren, die in der sowjetischen Besatzungszone ab 1945, in den übrigen Besatzungszonen ab 1946 nicht nur wegen NS-Verbrechen, sondern auch wegen Zugehörigkeit zur illegalen NSDAP vor 1938 sowie wegen „Registrierungsbetrugs“ geführt wurden. Ein Großteil dieser Akten enthält Dokumente der Erhebungen von Polizei und Gendarmerie.

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