Johanna Richter
Johanna Richter kam 1878 als Johanna Fischer und Tochter des Bernhard Fischer und der Julie, geborene Herman, in Chiesch (Chyse, ČR) zur Welt.
1897 verlobte sie sich mit dem Arzt Dr. Julius Richter, ein Jahr später heiratete das Paar in Prag. 1902 kamen Sohn Hans und 1904 Sohn Fritz in Graupen (Krupka, ČR), einer alten nordböhmischen Bergstadt, zur Welt.
1907 erfolgte die Übersiedlung der Familie nach Linz. Sie bezog ihre Wohnung an der Landstraße 71. Im selben Haus richtete Julius Richter seine Arztpraxis ein. Das Ehepaar war in mehrere Linzer Vereine, nichtjüdische wie jüdische, eingegliedert.
Johanna Richter verlor früh ihren Mann, er starb 1920 an einem Herzleiden. Sie blieb weiterhin im Haus Landstraße 71 wohnend.
Ihr älterer Sohn Hans folgte seinem Vater im Arztberuf nach. Er war Sozialdemokrat und unter den Linzer Arbeiterinnen und Arbeitern als moderner und uneigennütziger Arzt sehr gefragt. Ab 1934 gelang es den Protagonisten des austrofaschistischen Regimes den jüdischen Arzt sukzessive an seiner Arbeit zu hindern. Diese schleichende Verfolgung mündete schließlich in einer Anklage, in einem Schauprozess und einem Dr. Hans Richters weitere Arbeit zunichte machenden Urteil. In dem ganzen Vorgehen wird der dem christlich-deutschen Ständestaat innewohnende und von Bischof Gföllner noch geförderte Antisemitismus deutlich. Die von Gföllner vorgeschlagenen Gesetzesänderungen, um gegen jüdische Ärzte und Rechtsanwälte „einen starken Damm aufrichten“ zu können, waren erfolgt und traten im Urteil über Dr. Hans Richter offen zutage. Aufgrund dieses Prozessausganges beging der ältere Sohn Johanna Richters im Oktober 1937 Selbstmord.
Damit war die Witwe zur Zeit des „Anschlusses“, März 1938, in Linz auf sich allein gestellt. In Wien lebte und arbeitete ihr jüngerer Sohn Fritz Richter. Dieser war ein begeisterter Zionist. Ihm gelang eine Flucht nach Argentinien. In letzter Minute konnte er auch seine betagte Mutter zu sich holen. In Argentinien widmete sich Johanna Richter, wie zuvor in Linz, vor allem der Familie. Ihr Sohn heiratete dort die ebenso aus Linz geflohene Lisette Basch. Dem Ehepaar wurden zwei Töchter, Gabriela und Veronica, geboren.
Johanna Richter starb 1955 und wurde in Buenos Aires begraben.
(Autorin: Verena Wagner)