Emilie May

Emilie May kam 1861 als Emilie Kraus und Tochter des aus Přistoupin, Bezirk Böhmisch Brod (Český Brod, ČR), stammenden Lederhändlers Israel Kraus in Linz zur Welt. Ihre Mutter war die in Tutschap (Tučap, ČR), Bezirk Tabor (Tábor, ČR), geborene Josefine (Josefa) Steiner. Die Geburten einer älteren Schwester, Flora, und zweier jüngerer Geschwister mit Namen Rosa und Gustav sind ebenso in Linz zu finden. Mitte der Sechzigerjahre des 19. Jahrhunderts muss Familie Kraus nach Wien gezogen sein, denn drei weitere Brüder und eine Schwester kamen dort zur Welt.

1884 heiratete Emilie May den 1853 in Budapest geborenen und in Linz lebenden Isidor May. 1885 erwarben Isidor May und Paul Weiß ein Spezialgeschäft für Farben und Lacke, und nannten sich „May & Weiß“.

Emilie May brachte vier Kinder zur Welt. Die älteren, drei Söhne, Paul, Oskar und Heinrich wurden in der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre in Linz geboren. Das jüngste Kind, Tochter Olga, gebar Emilie May Anfang September 1895 in Schloß Haus bei Wartberg. Die Familie dürfte sich zu diesem Zeitpunkt auf Sommerfrische im Schloss der Fürsten Starhemberg aufgehalten haben. 1893 kaufte sich das Ehepaar May ein Grundstück an der Schillerstraße 45 und ließ darauf einen Neubau errichten. Von da an wohnte ein Großteil der Familie in diesem Gebäude. In den Zwanzigerjahren übergab Isidor May den gut florierenden Betrieb seinen Söhnen Oskar und Heinrich. Er starb 1927 im Alter von 74 Jahren.

Ab dem März 1938 unterlag Emilie May, wie alle Jüdinnen und Juden, den ausgrenzenden Maßnahmen der Nationalsozialisten. Aus ihrem verpflichtenden Vermögensverzeichnis geht hervor, dass die 77-jährige Witwe bis zu diesem Zeitpunkt nur einen kleinen Geschäftsanteil für den Lebensunterhalt und ein an der Schillerstraße 45 eingetragenes lebenslanges Wohnrecht hatte. Nun musste aber Familie May das Haus und das Geschäft an nationalsozialistische Profiteure, den „Ariseuren“, verkaufen. Somit verlor Emilie May nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihren Lebensunterhalt. Im Herbst wurde sie gezwungen, Linz zu verlassen und nach Wien zu übersiedeln. Mehrmals wechselte sie dort ihre Adresse. Vor ihrer Deportation nach Theresienstadt, am 28. Juli 1942, wird ihre Unterkunft mit Odeongasse 9/12 im 2. Wiener Gemeindebezirk angegeben. Emilie May starb nach einem Monat Aufenthalt in diesem Lager angeblich an Darmkatarrh und Herzschwäche. Ihre Tochter Olga Schlesinger kam in Maly Trostinec und ihre Schwester Rosa Flesch in Treblinka um.

(Autorin: Verena Wagner)

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