Karl Seligmann
Karl Seligmann kam 1879 in Karolinenthal (Karlín, ČR) als Sohn des Friedrich Seligmann und der Betty, geborene Stein, zur Welt. Friedrich Seligmann war der älteste Sohn einer kinderreichen Familie aus Sehuschitz (Žehušice, ČR). Er begann als Magazineur und Transportinspektor am Bahnhof in Pilsen und starb zuletzt als pensionierter Beamter der Staatsbahnen und kaiserlicher Rat in Wien. Karl Seligmann war das jüngste von neun Kindern. Er wuchs in Karolinenthal, einer Vorstadt von Prag, und in Wien auf. 1903 legte er an der Technischen Universität Wien seine zweite Staatsprüfung ab und kam 1904 als Bauadjunkt der k. k. Staatsbahn nach Linz. 1908 heiratete er die 1887 in Linz geborene Schuhfabrikantentochter Hedwig Klein. Seinem Beruf geschuldet wurde er mehrmals versetzt, zuerst nach Ried im Innkreis, dann nach Steyr und schließlich 1914 nach Braunau am Inn. Dort kam das einzige Kind, Sohn Felix, zur Welt. 1916, mit der Betriebsleitung in Urfahr beauftragt, kehrte die Familie nach Linz zurück. Ein Jahr später betraute man den inzwischen zum Bau-Oberkommissär aufgestiegenen Karl Seligmann mit dem Amt eines Vorstands-Stellvertreters der Bahnerhaltungssektion 1 in Linz. Seit 1921 bereits den Titel eines Oberbaurates tragend, ernannte man ihn 1924 zum Vorstand der Streckenleitung. Die Familie wohnte über viele Jahre bis 1938 in einer Wohnung im Haus Hauptstraße 55 in Urfahr.
Von Jugend an war Karl Seligmann begeisterter Jäger. 1935 trat er in den Ruhestand und betätigte sich ab da in der Kultusgemeinde Linz. Zum einen nahm er sich der 1913 gegründeten und mittlerweile verwaisten kultusgemeindeeigenen Jüdischen Volksbibliothek an. Er sichtete und restaurierte die Bestände, bat um Spenden für neuere jüdische Literatur und richtete eine Lesestube mit aktuellen jüdischen Zeitungen ein. Zum anderen trat er 1935 bei Kampfwahlen um die Verteilung der Sitze im Kultusgemeindevorstand für die Partei der „Nationalen und religiösen Einheit“ an und kandidierte somit für die Zionisten-Revisionisten. Er dürfte aber als Mitglied des Vorstandes nie zum Zug gekommen sein, weil diese Gruppe in Linz bis 1938 nur wenig Mandate erhielt. Zugleich nahm er sich um die Verwaltung eines im Eigentum der Kultusgemeinde stehenden Hauses an. Die Sommerfrische verbrachte Familie Seligmann oft im Mühlviertel.
Mit März 1938, unter dem nationalsozialistischen Regime, war dem bescheidenen Leben von Karl Seligmann und seiner Frau in Linz ein rasches Ende bereitet. Obwohl beide Verwandte in den USA, Palästina und England aufweisen konnten, entschlossen sie sich vorerst zu keiner Flucht. Lediglich ihr Sohn verließ Österreich Richtung Palästina. Das Vermögen Karl Seligmanns belief sich auf kaum mehr als seine Rentenrechte bei der Bahn, etwas Schmuck, eine Briefmarkensammlung und Möbel. Am 31. Oktober 1938 musste das Ehepaar Seligmann nach Wien übersiedeln und wohnte im 3. Wiener Gemeindebezirk, am Rudolf von Altplatz 6. Im Juni 1939 wurde nochmals ein Wohnungswechsel, an die Nestroygasse 6/12a im 2. Wiener Gemeindebezirk vorgenommen. Es dürfte sich um ein Haus mit vorrangig jüdischen Sammelwohnungen gehandelt haben. Von dort deportierte man das Ehepaar am 9. April 1942 nach Izbica. Karl Seligmann und seine Frau wurden Opfer der Shoah.
(Autorin: Verena Wagner)