Alltag im zerstörten Linz - Infrastruktur und Wohnungsnot

Die kurz nach der Einnahme von Linz durch die amerikanische Armee eingesetzte provisorische Stadtregierung war mit der Mammutaufgabe betraut worden, die stark zerstörte Stadt wieder aufzubauen. Durch insgesamt 22 Luftangriffe in den Jahren 1944 und 1945 sowie Artilleriebeschuss waren von 9.865 bewohnten Gebäuden 602 völlig zerstört und 6.343 mehr oder weniger beschädigt worden. Zusätzlich von den Zerstörungen betroffen waren 750 öffentliche Bauten. Darunter befanden sich das Allgemeine Krankenhaus, das Altersheim, der Schlachthof sowie der Wirtschaftshof. Auch das Parkbad war durch Bombentreffer schwer in Mitleidenschaft gezogen worden.

Die Lage schien anfangs völlig aussichtslos angesichts der Schäden und der stark gestiegenen Bevölkerungszahl, die versorgt werden musste. Linz hatte vor dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich 112.000 Einwohnerinnen und Einwohner, nach Kriegsende 1945 war die Zahl durch Zuzug in der NS-Zeit, aber vor allem durch befreite KZ-Insassen und DPs auf 194.000 anwesende Personen angestiegen. Diese enorme Steigerung gepaart mit der großen Anzahl an zerstörten Wohnungen machte die Wohnungsnot zu einem zentralen Thema in Linz in den ersten Nachkriegsjahren. Das Problem war so gravierend, dass erst Ende der 1960er Jahre der Bedarf nahezu gedeckt werden konnte. Aber Wohnraum war nicht nur zerstört worden, auch die Requirierungen durch die amerikanischen Militärangehörigen und die Delogierungen durch ehemalige Vertriebene verstärkten das Problem weiter. So wurde am Bindermichl ein ganzer Block geräumt, um dort für jüdische Vertriebene Wohnraum bereitzustellen. Dass diese Umverteilung, wenn auch notwendig und gerechtfertigt, nicht selten zu großem Unmut führte, liegt dabei auf der Hand. Auch die Unterbringung der Geflüchteten in großen Barackensiedlungen brachte keine Erleichterung. So war es nicht selten der Fall, dass ganze Familien in schnell zusammengezimmerten Notunterkünften hausten.

Der Zustand der Infrastruktur hatte ebenfalls stark unter den Bombenangriffen gelitten. Ganze Straßenzüge waren mit Schuttbergen belegt und die Leitungsnetze von Kanal, Trinkwasser und Strom waren nicht funktionstüchtig. Die amerikanischen Besatzer forderten daher umgehende Schutträumung und Instandsetzung der Infrastruktur, was allerdings kaum durchführbar war. Im Krieg waren ca. 2.500 Zwangsarbeiter eingesetzt worden, die die Aufräum- und Instandhaltungsarbeiten nach Luftangriffen bewältigen sollten. Nach der Befreiung von Linz durch die Amerikaner fielen diese Arbeitskräfte weg, die wenigen verbliebenen einheimischen Arbeiter waren meist älter und angesichts der Sicherheitslage in der Stadt nicht gewillt, diese Arbeiten zu übernehmen. Erst als die amerikanische Militärbehörde eingriff, und für die Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten Kriegsgefangene und ehemalige NSDAP-Mitglieder einsetzte, wurden schnellere Fortschritte erzielt. Zusätzlich wurde schon bald nach Kriegsende eine Dienstverpflichtung ausgeschrieben, die alle Männer der Jahrgänge 1895 bis 1929 anwies, sich zum Arbeitsdienst zu melden. Neben der Schwierigkeit, Arbeitskräfte zu requirieren, war vor allem der Mangel an geeignetem Baumaterial, insbesondere bei Kanal- und Straßenarbeiten, ein lange präsentes Problem.

Auch das städtische Gasnetz war von den Zerstörungen durch die Kriegshandlungen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Während der Luftangriffe 1944 und 1945 erlitt das Netz 763 Treffer, es war aber auch von einer permanenten Überbelastung während des Krieges stark geschädigt. Nach dem Krieg zählte die Wiederherstellung der Gasversorgung der Haushalte jedoch angesichts der chaotischen Zustände nicht zu vordringlichsten Arbeiten des Wiederaufbaus. Bis Herbst 1945 konnte die Versorgung mit städtischem Gas allerdings großteils wiederhergestellt werden.

Infolge der Zerstörungen der Infrastruktur, der medizinischen Versorgung, aber auch durch die nach Linz strömenden Flüchtlinge, verschlechterte sich die hygienische Situation mit Kriegsende enorm. Vor allem in den Reihen der ehemaligen Lagerinternierten grassierten Infektionskrankheiten wie Typhus, Ruhr und Fleckfieber, die schnell auf die ansässige Bevölkerung übergriffen. Mit Quarantänemaßnahmen versuchte man einer größeren Infektionswelle entgegenzuwirken.

Obwohl intensiv an der Wiederherstellung der Stadt Linz gearbeitet wurde, dauerte es noch einige Jahre, bis die Schuttberge und die Spuren des Krieges aus dem Stadtbild verschwunden waren. Die letzten Barackenlager wurde erst Anfang der 1970er Jahre aufgegeben.

Dokumente aus dem Archiv

Die folgenden Interviews wurden im Jahr 1965 vom damaligen Archivdirektor Wilhelm Rausch in Vorbereitung auf die Ausstellung "Linz 1945" geführt und aufgezeichnet.

Interview mit Ernst Koref zum Wiederaufbau in Linz

Ernst Koref gibt kurz einen Überblick über die Anstrengungen des Wiederaufbaus und erwähnt die Besetzung des Stadtbauamtes.

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Interview mit Ernst Koref zur Wohnungsnot in Linz

Ernst Koref berichtet von der kritischen Wohnungsnot in Linz und der Requirierung eines Wohnblocks am Bindermichl durch die amerikanischen Besatzer.

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Interview mit Karl Demelbauer, Leiter des Gesundheitsamtes, und Josef Kammesberger, Amtsarzt beim Gesundheitsamt, über die Krankheiten und die allgemeine gesundheitliche Lage nach dem Krieg

Die beiden Amtsärzte berichten über Krankheitsausbrüche vor und nach Kriegsende, vor allem in den Lagern in Linz, und über die allgemeinen hygienischen Zustände.

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Um den hohen Bedarf an Arbeitskräften, die für Schutträumungen und Wiederaufbauarbeiten benötigt wurden, decken zu können, wurden alle Männer österreichischer oder deutscher Staatsbürgerschaft, die zwischen 1895 und 1929 geboren worden waren, von der neu installierten Stadtregierung aufgefordert, sich zum Arbeitsdienst zu melden.

Auch auf Landesseite wurde solche Aufrufe zum Arbeitseinsatz öffentlich ausgehängt. Wer versuchte, sich dieser Meldung zu entziehen, wurde bestraft.

In den ersten Wochen der amerikanischen Militärbesatzung ergingen beinahe täglich Befehle des amerikanischen Stadtkommandanten Major Liakos an das Bürgermeisterbüro von Ernst Koref. Einer dieser Befehle ordnete die sofortige Räumung eines Hauses in der Hauptstraße an, da es von der Armee beschlagnahmt und für den Eigenbedarf benötigt wurde.

Schilder, wie jenes auf dem Foto, waren im Stadtbild der Nachkriegszeit keine Seltenheit. Fast allen war gemein, dass sie auf das Verbot herumzustehen verwiesen.

Die Instandsetzung der vorhandenen Lager in Linz war für die amerikanischen Militärbeamten von großer Wichtigkeit, da man dort eine große Anzahl an Flüchtlingen unterbringen und versorgen konnte.

Durch die extreme Wohnungsnot in der Nachkriegszeit waren die Wohnverhältnisse für viele Familien jahrelang sehr beengt.

Um größere Ausbrüche von Infektionskrankheiten zu vermeiden, rief das Gesundheitsamt zur Impfung gegen Typhus und Paratyphus auf.