Koref wird zum Bürgermeister ernannt
In den letzten Wochen vor Kriegsende begann eine kleine Gruppe in Linz verbliebener, ehemaliger sozialdemokratischer Funktionäre rund um Ernst Koref sich im Hinterzimmer der Greißlerei des früheren Redakteurs des Linzer Tagblattes, Alois Oberhummer, in der Scharitzerstraße im Geheimen zu treffen. Dabei wurde die Lage des sich im Zusammenbruch befindlichen Dritten Reichs besprochen und es wurden Pläne geschmiedet in der Hoffnung, nach einem möglichen Kriegsende wieder politisch aktiv zu werden. In Folge dieser Zusammenkünfte und auch in Abstimmung mit Vertretern sowohl der Christlichsozialen als auch der Kommunisten, wurde Ernst Koref als Kandidat für einen künftigen Linzer Bürgermeister bestimmt. Man berief sich dabei auf die Mehrheitsverhältnisse des Jahres 1934, die ein Resultat der letzten freien Wahlen waren.
Ernst Koref war bereits damals kein Unbekannter in Linz sowohl unter den Sozialdemokraten als auch darüber hinaus. Er wurde 1891 als fünftes von neun Kindern in Linz geboren. Sein Vater war bei den Staatsbahnen als Beamter tätig. Koref besuchte in Linz das Gymnasium und studierte anschließend in Wien Anglistik und Germanistik. Nach seinem Kriegseinsatz im Ersten Weltkrieg ab 1914 und seiner Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft arbeitete er in Linz einige Jahre als Mittelschullehrer. Daneben begann er sich politisch in der Sozialdemokratischen Partei zu engagieren, vor allem die Bereiche Bildung und Kultur waren sein Fokus. Schließlich wurde er von 1927 bis 1934 in den Gemeinderat gewählt, von 1930 bis 1934 gehörte er zudem dem Nationalrat an. In dieser Zeit bekleidete er auch die Funktion des geschäftsführenden Parteiobmanns der oberösterreichischen Sozialdemokraten. Obwohl Koref an den Aktionen des Schutzbundes im Februar 1934 nicht beteiligt war, wurde er in der Folge inhaftiert und wie viele seiner Mitstreiter und Mitstreiterinnen zwangspensioniert. Er betätigte sich in den darauffolgenden Jahren als Privatlehrer. Dies konnte er trotz seiner jüdischen Abstammung väterlicherseits relativ unbehelligt tun, da ihn ehemalige Kollegen und Bekannte, die nun in der NS-Hierarchie Karriere gemacht hatten, vor Repressionen bewahrten. So wurde er zwar 1944 in Gestapo-Haft genommen, konnte aber auf Intervention des Oberbürgermeister Franz Langoth bei Ernst Kaltenbrunner, Chef des Reichssicherheitshauptamtes, bald wieder entlassen werden.
Nach dem Eintreffen der ersten amerikanischen Soldaten am 5. Mai 1945 in Linz begab sich eine kleine Abordnung von Sozialdemokraten ins Linzer Rathaus, um dort beim zuständigen amerikanischen Stadtkommandaten, Major Gatling, offiziell vorzusprechen, und Ernst Koref als provisorischen Bürgermeister vorzuschlagen. Der Vorschlag wurde zurückhaltend zur Kenntnis genommen und die Besatzer schickten die Vorsprechenden mit dem Befehl weg, in zwei bis drei Tagen wieder zu kommen. Diese Zeit wurde genutzt, um durch den amerikanischen Geheimdienst CIC Erkundigungen über Koref und dessen politische Unbedenklichkeit einzuholen. Ironischerweise holte man zu diesem Zweck vor allem bei Korefs nationalsozialistisch gesinnten Nachbarn Erkundigungen über ihn ein.
Das Ergebnis war zweifelsohne positiv, denn als die Abordnung am 7. Mail 1945 wiederum im Rathaus vorsprach, wurde die Ernennung Korefs zum provisorischen Bürgermeister von Linz bestätigt. Dies wurde noch am selben Tag durch ein zweisprachiges Plakat der Linzer Bevölkerung mitgeteilt.
Dokumente aus dem Archiv
Die folgenden Interviews wurden im Jahr 1965 vom damaligen Archivdirektor Wilhelm Rausch in Vorbereitung auf die Ausstellung "Linz 1945" geführt und aufgezeichnet.
Interview mit Ernst Koref zu den Ereignissen um den 7. Mai 1945
Ernst Koref beschreibt die Ereignisse im Linz der letzten Kriegstage und nach Kriegsende bis zu seiner Ernennung zum provisorischen Bürgermeister der besetzten Stadt Linz.
Interview mit Albin Gebhardt zu den Ereignissen um den 7. Mai 1945
Albin Gebhardt beschreibt die Ereignisse im Linz der letzten Kriegstage und nach Kriegsende bis zur Ernennung von Ernst Koref zum provisorischen Bürgermeister der besetzten Stadt Linz.
Interview mit dem damaligen Leiter des städtischen Kulturamts August Zöhrer zu den Ereignissen um den 7. Mai 1945
August Zöhrer war als Leiter des Kulturamtes bei der Übernahme der Stadt Linz durch die amerikanischen Truppen im Umfeld des NS-Bürgermeisters Franz Langoth anwesend. Er beschreibt die Bemühungen der sozialdemokratischen Funktionäre, Ernst Koref zum provisorischen Bürgermeister von Linz zu ernennen.
Ernst Koref (11.3.1891 – 15.11.1988) wurde von seinen sozialdemokratischen Mitstreitern als Kandidat für den provisorischen Bürgermeister der befreiten Stadt Linz auserkoren. Seine Bestellung durch den amerikanischen Stadtkommandanten erfolgte am 7. Mai 1945. Koref blieb als gewählter Bürgermeister bis 1962 im Amt.
Alois Oberhummer (7.6.1886 – 27.7.1958) war eine der zentralen Figuren der Sozialdemokratie bei Kriegsende. Er war sogar kurzfristig als provisorischer Landeshauptmann im Gespräch. Ursprünglich war er als Journalist und Redakteur, erst bei der Tagespost, danach beim Linzer Tagblatt tätig. 1934 wurde Oberhummer aus politischen Gründen entlassen und machte sich mit einer kleinen Greißlerei in der Scharitzerstraße selbstständig, die vor Kriegsende als geheimer Treffpunkt seiner sozialdemokratischen Mitstreiter genutzt wurde. Im Oktober 1945 kehrte er als Chefredakteur zum Tagblatt zurück, musste diesen Posten aber schon ein Jahr später wieder wegen politischer Differenzen mit den Besatzungsbehörden verlassen.
Ludwig Bernaschek (15.5.1899 – 31.5.1970) wurde in Budapest als Sohn einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie geboren. Er engagierte sich früh in der sozialistischen Arbeiterjugend und wurde 1934 für seine Teilnahme an den Februaraufständen zu schwerem Kerker verurteilt. Nach seiner Begnadigung 1935 führte er ein Radiogeschäft in Linz. 1945 war Bernaschek Teil einer sozialdemokratischen Delegation, die sich um die Einsetzung von Ernst Koref zum Linzer Bürgermeister bemühte. Ab Oktober 1945 bis Juli 1969 war er Landeshauptmann-Stellvertreter und Mitglied des Landtages für die SPÖ.
Albin Gebhardt (19.1.1896 – 1.8.1966), als Sohn eines Eisenbahners in Dürrnberg bei Hallein geboren, schlug nach seinem Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg selbst eine Laufbahn als Metallarbeiter bei der Bundesbahn ein. Er war Teil jener Delegation, die Ernst Koref im Mai 1945 als Bürgermeister von Linz vorschlug. Gebhardt war nach Kriegsende ab 15. Mai 1945 unter Koref als Personalreferent bestellt und fungierte lange Zeit als 3. Bürgermeister-Stellvertreter. Mit Unterbrechungen war er bis 1965 in der Linzer Stadtpolitik tätig.
Heinrich Kandl (15.7.1875 – 30.12.1968) in Riegerschlag bei Budweis in Böhmen geboren, lebte ab 1890 in Wien. Er war ausgebildeter Maurer und engagierte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg gewerkschaftlich. Nach seinem Kriegsdienst kam er im Dienst der Bau- und Holzarbeitergewerkschaft nach Oberösterreich, wo er bis zum Februar 1934 als Landessekretär tätig war. Im Zuge der Februarkämpfe wurde er inhaftiert. Auch Kandl war Teil der Gruppe von Sozialdemokraten, die sich für die Ernennung von Ernst Koref zum provisorischen Bürgermeister ab 7. Mai 1945 einsetzte. Von 1946 bis 1959 fungierte Kandl als Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Linz.