Die Befreiung des KZ Mauthausen
"Hinter dem Zaun standen Hunderte von Menschen, die vor Freude tobten, als sie uns zum ersten Mal sahen. Das ist ein Anblick, den ich nie vergessen werde. Einige waren nur mit Decken bekleidet, andere waren völlig nackt, Männer und Frauen zusammen bildeten den ausgezehrtesten Haufen, den ich je zu Gesicht bekommen habe. Ich schüttle immer noch ungläubig den Kopf, wenn ich dieses Bild vor Augen habe, denn sie sahen kaum noch wie Menschen aus. Einige konnten nicht mehr als vierzig Pfund gewogen haben. Der Ort entwickelte sich zu einem Tumult, und es war klar, dass das Blutvergießen nicht mehr aufzuhalten sein würde, wenn diese Menschen nicht bald gestoppt würden."
(Auszug aus der Erzählung über die Befreiung von Mauthausen von Sgt. Albert J. Kosiek, 11. US-Panzerdivision)
Um 11:07 Uhr hatten die US-Truppen bereits Linz befreit und damit auch die sich in der Stadt befindenden drei Außenlager des KZ Mauthausen. Parallel zur Befreiung von Linz schickten die Amerikaner von ihrem Lager in Hellmonsödt Spähtrupps die Donau hinab. Bei ihrem Vorrücken trafen sie auf den Delegierten des Internationalen Roten Kreuzes, Louis Häflinger, der bereits nach ihnen Ausschau hielt. Er wollte sie zu den lokalen Konzentrationslagern führen. Auf ihrem Weg nach Mauthausen erreichten sie zunächst das Außenlager Gusen. Dort ergab sich die verbliebene Wachmannschaft sofort und die US-Truppen zogen bald weiter. Als sie das Hauptlager Mauthausen erreichten, waren die Soldaten schockiert von den Zuständen, die sich ihnen dort boten. Die Gefangenen waren zu lebenden Skeletten heruntergekommen und von Krankheiten gezeichnet. Mehr als 500 Leichen waren zwischen zwei Baracken aufgestapelt. Die wenigen überlebenden Langzeitgefangenen sprachen den Amerikanern gegenüber von mindestens 45.000 Toten in vier Jahren, die in den Krematorien verbrannt worden waren. Tausende weitere wurden in Gaskammern getötet, vergiftet oder erschlagen. Insgesamt verloren etwa 100.000 Menschen im KZ Mauthausen ihr Leben.
Da die SS den vorrückenden Alliierten keine Gefangenen aus den Lagern überlassen wollte, war es in den letzten Kriegswochen zu großen Evakuierungsmaßnahmen anderer Konzentrationslager gekommen, für die Mauthausen mit seinen Nebenlagern einer der Hauptzielorte war. Die Überbelegung hatte massive Tötungsaktionen in den Lagern zur Folge. In den letzten Tagen vor der Befreiung versuchte die SS zudem noch, alle belastenden Materialien zu vernichten und ließ auch die technischen Einrichtungen der Gaskammer demontieren. Unter dem Einfluss des beständigen Zustroms an neuen Insassen brach die Versorgung im KZ Mauthausen schließlich im März 1945 endgültig zusammen. Die Zuteilung der Lebensmittel war katastrophal. Kranke Häftlinge bekamen einmal in zwei oder drei Wochen zehn Deka Brot und ein wenig Rübensuppe. Die SS-Mannschaft verließ das Lager am 2. und 3. Mai. Sie übergab die Bewachung an 50 Mitglieder der Wiener Feuerschutzpolizei, die diese Funktion aber nie ausübten. Die praktische Kontrolle des Lagers ging auf ein sich schon zuvor unter den Insassen gebildetes Internationales Komitee über.
Nach der Befreiung am 5. Mai konnte auch die amerikanische Armee die zigtausenden befreiten Insassen nicht sofort versorgen. Die Lebensmittel, die die Amerikaner ihnen zur Verfügung stellten, waren für den kranken Zustand und die kranken Mägen der Insassen absolut nicht geeignet. Diese litten an Durchfall und an verschiedenen Magenkrankheiten. Die rund 10.000 Kranken hätten Milch und andere Präparate benötigt. Dieser Mangel an Lebensmitteln führte dazu, dass sich die befreiten KZ-Häftlinge in den Bauernhöfen und Häusern der Bevölkerung Lebensmittel suchten. Dabei kam es zu Konflikten, allerdings nicht nur zwischen den Einheimischen und hungernden KZ-Häftlingen, sondern auch mit der amerikanischen Armee. Die Bauern verweigerten den Auftrag der Amerikaner, Milch, Reis oder Grieß zu übergeben, die jedoch für die Versorgung der KZ-Häftlinge unerlässlich waren.
Lagerintern versuchte die US-Armee, die katastrophale Situation in den Griff zu bekommen und Plünderungen sowie Lynchjustiz zu verhindern. Nach anfänglichem Widerstand kooperierte sie mit dem Internationalen Komitee der Häftlinge. Die bei der Befreiung vorgefundenen Toten sowie jene Insassen, die noch nach der Befreiung starben, wurden auf einem auf dem SS-Sportplatz angelegten neuen Friedhof bestattet, wofür Bevölkerung, NSDAP-Funktionäre und gefangene SS-Angehörige herangezogen wurden, die auch für andere Zwangsarbeiten im Lager eingesetzt wurden. Um die Seuchengefahr im Lager zu verringern, brannte die US-Armee die Baracken des Sanitätslagers nieder. In den Folgemonaten kehrten die überlebenden KZ-Häftlinge in ihre Herkunftsländer zurück oder reisten in andere Zielländer weiter.
Dokumente aus dem Archiv
Es folgen Interviews des ehemaligen Archivdirektors Wilhelm Rausch mit Zeitzeugen. Danach werden weitere Dokumente zum Thema Befreiung des KZ Mauthausen präsentiert.
Interview mit Wilhelm Kolb über das KZ Mauthausen
Ausschnitt aus einem Interview des damaligen Archivdirektors Wilhelm Rausch mit dem GWG-Direktor und NS-Ortsgruppenleiter in Steyregg, Wilhelm Kolb, aus dem Jahr 1965, in welchem Kolb bestreitet über die Verhältnisse und Vorkommnisse im KZ Mauthausen gewusst zu haben.
Interview mit Hans Marsalek über die Versorgungslage im KZ Mauthausen
Ausschnitt aus einem Interview mit dem ehemaligen Mauthausen-Häftling Hans Marsalek, in welchem er über die katastrophale Versorgungslage gegen Kriegsende erzählt.
Interview mit Theodor Kerschner über seinen Zwangsarbeitseinsatz im KZ Mauthausen
Ausschnitt aus einem Interview mit dem damaligen Leiter des oberösterreichischen Landesmuseums (1937-1945), Theodor Kerschner, über seinen Zwangsarbeitseinsatz im KZ Mauthausen nach der Befreiung.
Achtung: Die folgenden Bilder zeigen sensible Inhalte.
Weibliche KZ Häftlinge im KZ Mauthausen.
Überlebende KZ-Häftlinge im Evakuierungslazarett der US Armee.
Überlebende Häftlinge zeigen den amerikanischen Truppen das Krematorium des KZ Mauthausen.
Ein US-Soldat inspiziert den Ofen des Krematoriums im KZ Mauthausen.
Insassen des KZ Mauthausen nach der Befreiung.
Insassen des KZ Mauthausen nach der Befreiung.
Kranke Überlebende des KZ Mauthausen nach der Befreiung.
Gestapelte Leichen von toten Häftlingen im KZ Mauthausen.