Die Befreiung von Linz
Als der Morgen am 5. Mai dämmerte, hatten die Bewohner von Linz eine unruhige Nacht hinter sich. Aufgrund der verzögerten Kapitulationsverhandlungen war die Stadt die Nacht über weiterhin dem Artilleriefeuer der US-Truppen ausgesetzt gewesen, was weitere 18 Menschenleben forderte. Währenddessen hatte die Wehrmacht ihre Truppen aus der Stadt abgezogen.
Um 6:38 Uhr verließ Franz Danzer gemeinsam mit seinem Dolmetscher Fritz Rosenauer das Rathaus, um sich erneut zu den Amerikanern aufzumachen und die Kapitulationsverhandlungen zu einem Ende zu bringen. Die Fahrt gestaltete sich abermals schwierig, und bei Dürnberg war aufgrund von Sprengungen der Straßen Schluss. Zu Fuß machten sich die beiden nach Rottenegg auf. Dort angekommen, wurden ihnen die Kapitulationsbedingungen vorgelegt, die eine Waffenniederlegung der verbliebenen Truppen, das Ausbleiben der Sprengung der Brücken und die weiße Beflaggung aller Gebäude beinhalteten. Diese „Surrender Terms“ wurden sowohl von Danzer als auch von seinem Dolmetscher Rosenauer unterzeichnet.
Währenddessen war die formale Kapitulation der Stadt allerdings bereits von der militärischen Realität überholt worden. Von Hellmonsödt aus stieß die Kampftruppe A der 11. Panzerdivision nach Urfahr vor, wo sie auf keinen Widerstand stieß. Es ist daher bis heute ein Streitthema, ob die sogenannte Danzer-Mission überhaupt reale Auswirkungen hatte bzw. ob durch sie ein letzter Luftangriff verhindert werden konnte oder ob es diesen sowieso nicht gegeben hätte. Bevor Danzer noch in die Stadt zurückkehren konnte, war diese bereits befreit.
Am Urfahrer Brückenkopf angekommen, zögerten die Amerikaner zunächst, über die Nibelungenbrücke zum Hauptplatz zu fahren. Sie befürchteten, dass die Brücke genau in diesem Moment gesprengt werden könnte. Aufgrund des nicht vorhandenen Widerstandes sowie des Umstands, dass auf der Linzer Seite bereits Polizisten mit weißen Fahnen standen, entschloss sich General Willard A. Holbrook schließlich, das Risiko einzugehen. Er schickte einen Panzerspähwagen als Vorhut über die Brücke und folgte diesem mit einem eigenen Fahrzeug.
Um 11:07 Uhr trafen die amerikanischen Truppen auf dem Linzer Hauptplatz, dem damaligen Adolf-Hitler-Platz, ein. Während vom ersten Wagen zunächst noch Warnschüsse abgefeuert wurden, versammelte sich die Bevölkerung rasch auf dem Platz und begrüßte die eintreffenden amerikanischen Truppen mit Jubel. Man warf ihnen Blumen, vor allem Flieder, in die Wagen und schaffte für sie Most und Wein heran. Ein anwesender Kriegsreporter beschrieb die Szene später mit „Hitler Plaza resembled the New Orleans Mardi Gras.“
Die Spitzen der NS-Stadtverwaltung, Oberbürgermeister Langoth und die Stadträte Estermann und Zich, verließen das Rathaus und traten zum Wagen General Holbrooks. Langoth hatte am Vortag noch geplant die Übergabe in seiner neuen SS-Uniform zu absolvieren, was ihm von den anderen Mitgliedern der Stadtverwaltung ausgeredet werden konnte. Um 11:30 Uhr vermeldeten die Amerikaner über Funk ihre Besatzungsanweisungen an die Bevölkerung: Alle Uniformierten hatten weiße Armbinden zu tragen; alle Waffen waren bei den Polizeirevieren abzugeben; für zwei Tage sollte es Ausgangssperren geben, außer von 7 bis 9 und 16 bis 18 Uhr. Schüsse aus Häusern würden mit der Zerstörung von fünf weiteren Häusern beantwortet werden. Gebäude, die die US-Armee beanspruchte, waren zu räumen. Alle noch nicht offiziell entlassenen Wehrmachtssoldaten hatten sich beim Rathaus zu melden. Für den 5. Mai sollte zudem ab 13 Uhr ein Ausgehverbot gelten. Dieser Befehl wurde jedoch zunächst nicht vollstreckt, da er sich aufgrund der Masse an Bevölkerung auf den Straßen als nicht durchsetzbar erwies.
Oberbürgermeister Langoth sollte vorerst weiterhin die Geschäfte der Stadt führen, allerdings nur noch als Befehlsempfänger der Amerikaner. Schon am Nachmittag kamen ehemalige sozialdemokratische Funktionäre unter der Führung von Ernst Koref ins Rathaus, um beim neuen Stadtkommandanten Major Gatling vorzusprechen. Koref präsentierte sich hier als der von einer „über den Parteien stehenden demokratischen Gruppe“ als neuer Bürgermeister vorgeschlagene Mann. Man sagte ihm, er solle in zwei bis drei Tagen wiederkommen.
Die Amerikaner fragten die Stadtverwaltung über die Ausländerlager innerhalb der Stadt aus, deren Insassen wiederum sofort aktiv Kontakt zu ihnen suchten und ihnen die dortigen Zustände schilderten. Schon auf ihrem Vormarsch Richtung Oberösterreich waren die US-Truppen auf NS-Opfer getroffen. Zwar hatten sie noch kein Konzentrationslager befreit, allerdings hatten sie die Leichen eines Gefangenenzugs vom KZ Flossenbürg nach Dachau in den Straßengräben gesehen. Noch am gleichen Tag erreichten die Spähtrupps der 11. Panzerdivision das Konzentrationslager Mauthausen und befreiten es. Diese schrecklichen Eindrücke von den Grausamkeiten des NS-Regimes sollten in der Besatzungszeit nachwirken.
Dokumente aus dem Archiv
Zwei Filme aus den National Archives in Washington zeigen die ersten Stunden nach dem Einmarsch der US-Truppen in Linz. Tagebucheinträge von Angehörigen der Stadtverwaltung protokollieren die Ereignisse. Die folgenden Zeitzeugeninterviews wurden vom ehemaligen Archivdirektor Wilhelm Rausch geführt und aufgezeichnet. Daran schließen sich weitere Archivalien zur Befreiung der Stadt Linz an.
Farbfilm des US-Militärs mit Aufnahmen entwaffneter Wehrmachtssoldaten
Farbfilm des US-Militärs mit dem Abmarsch entwaffneter Wehrmachtstruppen vom Linzer Hauptplatz vom 6. Mai 1945.
Quelle: National Archives, Washington
US-Soldaten feiern die Übergabe von Linz
Film des US-Militärs über feiernde US-Truppen am Tag der Befreiung von Linz und den Abmarsch entwaffneter Wehrmachtstruppen vom Hauptplatz, wahrscheinlich aufgenommen am 6. Mai 1945.
Quelle: National Archives, Washington
Interview mit dem ehemaligen NS-Stadtrat Otto Zich über die Befreiung von Linz
Ausschnitt aus einem Interview mit dem NS-Stadtrat Otto Zich über den ersten Kontakt der NS-Stadtregierung mit den amerikanischen Truppen.
Interview mit Hugo Hebenstreit über die Befreiung von Linz
Ausschnitt aus einem Interview mit dem Beamten Hugo Hebenstreit über die Befreiung von Linz, Fensterreparaturen und seine Ausquartierung durch die amerikanischen Truppen.
Eine der letzten von NS-Oberbürgermeister Langoth unterschriebenen Anweisungen, in der die Ausfolgung von Gewand an einen amerikanische Offizier veranlasst wurde. Ausgestellt zwischen dem 5. und 7. Mai.