Kapitulationsverhandlungen und das Warten auf das Kriegsende

Als am 4. Mai 1945 der letzte Tag des nationalsozialistischen Regimes dämmerte, war der Ausgang des Krieges und damit das unmittelbar bevorstehende Ende des Regimes trotz mancher anderslautender öffentlicher Bekenntnisse schon länger für alle eine Gewissheit. Am 1. Mai überschritten US-Streitkräfte zwischen Wegscheid und Kollerschlag die Grenze zum heutigen Oberösterreich, um Linz letztendlich zu befreien, angeführt von der 11. Panzerdivision unter Brigadier General Holmes E. Dager. Ihr schnelles Vordringen nach Österreich war dadurch bedingt, dass im März die strategische Entscheidung getroffen worden war, nicht Richtung Berlin vorzustoßen, sondern nach Erreichen der Elbe nach Norden und Süden vorzugehen. Man wollte zunächst die Industriegebiete um Leipzig erreichen und dann möglichst schnell weiter nach Linz, um an der Enns mit den sowjetischen Truppen zusammenzutreffen. Dass diese nicht schon in Oberösterreich angelangt waren, lag vor allem daran, dass sie nach der Befreiung St. Pöltens am 15. April nach Norden vorstießen anstatt nach Westen.

Noch am 2. Mai hatte Gauleiter Eigruber in der Oberdonau-Zeitung verlautbaren lassen, dass Linz verteidigt würde, wofür man sogar Schützengräben auszuheben begann. Gleichzeitig wollte man allerdings Lebensmittelvorräte aus der Stadt schaffen lassen, damit sie nicht in die Hände der Amerikaner fallen, was allerdings durch die Stadtverwaltung weitgehend verhindert wurde. Nur zwei Tage später, am 4. Mai, hatte aber auch Eigruber ein Einsehen. Er ließ den Gaukämmerer und geschäftsführenden Linzer Kreisleiter der NSDAP, Franz Danzer, zu sich in seine Villa am Bauernberg kommen. Er ermächtigte ihn, zu den Amerikanern zu fahren, um mit ihnen über eine kampflose Übergabe der Stadt zu verhandeln. Damit vertrat nun auch Eigruber die Position, die innerhalb der Stadtverwaltung schon länger vorherrschte. Alle fürchteten, dass eine Verteidigung der Stadt weitere Zerstörungen zur Folge haben würde. Vor allem die Drohkulisse eines weiteren Luftangriffs auf die Stadt motivierte zu einem kampflosen Ende.

Franz Danzer brach daraufhin gemeinsam mit dem Arzt Fritz Rosenauer, den er als Dolmetscher mitnahm, zu den Amerikanern auf, die er in Ottensheim vermutete. Was beide noch nicht wussten, war, dass zwar Eigruber und die Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Langoth eine kampflose Übergabe wollten, diese aber nicht mit der Wehrmacht abgesprochen war. In Rottenegg stießen die beiden schließlich auf die amerikanischen Truppen. Diese forderten eine bedingungslose Übergabe der Stadt, mit den Donaubrücken in intaktem Zustand. Danzer forderte wiederum, dass der Wehrmacht der Rückzug nach Osten gewährt werden sollte, damit diese dort die sowjetischen Truppen bekämpfen kann. Das wurde von den Amerikanern strikt abgelehnt.

Nach seiner Rückkehr in die Stadt gegen 16 Uhr suchte Danzer den Stadtkommandanten der Wehrmacht, General Kuzmany, im Schlossbergstollen auf. Gauleiter Eigruber hatte die Stadt bereits verlassen. Kuzmany erklärte ihm, dass er von Generaloberst Rendulic, dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, inzwischen den Befehl erhalten habe, „Linz um jeden Preis, Haus für Haus, zu verteidigen“. Es folgten hektische Versuche seitens Danzers und Langoths, die Wehrmacht davon abzubringen und Eigruber zu einer Intervention zu bewegen. Zu diesem Zeitpunkt war das Wissen um das Angebot einer Übergabe der Stadt in der Bevölkerung bereits verbreitet. Gleichzeitig hielt der Artilleriebeschuss an. Die Stadtführung unter Langoth befürchtete daher einen Aufstand der kriegsmüden Zivilbevölkerung.

Als die Sache um 18:30 weiterhin nicht gelöst war, beschloss Eigruber, dass entgegen der Abmachung mit den Amerikanern Danzer nicht mehr an diesem Tag zu ihnen zurückkehren sollte. Um 21:30 hatte letztendlich aber auch die Wehrmachtsführung das Einsehen, dass eine Verteidigung der Stadt sinnlos war, und sie entschied, ihre Truppen noch in der Nacht aus der Stadt abzuziehen. Die Nibelungenbrücke war bereits mit Sprengstoff versehen worden, jedoch sprach sich nach Intervention von Danzer und Langoth schließlich auch Eigruber gegen ihre Sprengung aus.

Der 4. Mai endete für die Linzer Bevölkerung mit dem Wissen, dass der Krieg für sie demnächst vorbei sein würde. Jedoch führte die Verzögerung der kampflosen Übergabe der Stadt dazu, dass amerikanischer Artilleriebeschuss anhielt und weitere Schäden sowie Tote verursachte.

Dokumente aus dem Archiv

Die folgenden Interviews wurden im Jahr 1965 vom damaligen Archivdirektor Wilhelm Rausch in Vorbereitung auf die Ausstellung "Linz 1945" geführt und aufgezeichnet. Daran schließen sich weitere Archivalien zum Thema Näherrücken der amerikanischen Streitkräfte und die Verhandlungen an.

Interview mit Franz Danzer, ehemals Linzer NSDAP-Kreisleiter

Ausschnitt aus einem Interview mit dem Gaukämmerer und NSDAP-Kreisleiter Franz Danzer über seine Fahrt zu den Amerikanern, um mit ihnen über eine Kapitulation der Stadt zu verhandeln. Er erzählt über das Eintreffen in Rottenegg und die Verhandlungen.

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Interview mit Otto Zich, ehemaliger NS-Stadtrat, über geplante Sprengungen

Ausschnitt aus einem Interview mit dem NS-Stadtrat Otto Zich über die verhinderte Sprengung des Funksenders.

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Interview mit Otto Zich, ehemaliger NS-Stadtrat, über die Lebensmittelversorgung

Ausschnitt aus einem Interview mit dem NS-Stadtrat Otto Zich über die letzten Verteidigungspläne der Stadt und die schwierige Lebensmittelversorgung in den letzten Kriegstagen.

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Die ersten Maitage des Jahres 1945 in Linz (PDF | 2,01 MB) Franz Danzer, ehemaliger NSDAP-Kreisleiter von Linz, schrieb 1950 seine Erinnerungen an das Kriegsende in Linz nieder. Sie wurden im Historischen Jahrbuch der Stadt Linz 1965 publiziert.

Tagebucheintrag von Dr. August Zöhrer zum 4. Mai 1945 (PDF | 9,48 MB) Kulturamtsleiter August Zöhrer war als Teil der Magistratsspitze in der engeren Entourage von Oberbürgermeister Langoth unmittelbarer Zeuge der Ereignisse von Anfang Mai 1945.

Ausschnitt aus "Mein Tagebuch 1945 - Das Kriegsende in Linz" (PDF | 4,28 MB) Hanns Kreczi, Sekretär des NS-Oberbürgermeisters Langoth, verfasste ein Protokoll des Kriegsendes, welches im Historischen Jahrbuch der Stadt Linz 1995 veröffentlicht wurde.

Der Gaukämmerer und geschäftsführende NSDAP-Kreisleiter Franz Danzer (in der Mitte mit Brille) bei einer Veranstaltung in der NS-Zeit.

Die amerikanischen Truppen auf dem Weg Richtung Linz. Aufnahmeort unbekannt.

Da der Weg nach Linz vom Westen her durch die auch für Panzer gefährlichen Linzer FLAK-Stellungen zu gefährlich war, näherten sich die Amerikaner der Stadt über den Norden und bezogen am 4. Mai ihr Quartier in Hellmonsödt. Entsprechend früh war man, wie dieses Foto zeigt, dann am 5. Mai auch bereits in Gallneukirchen.

Landkarte mit den Truppenbewegungen der letzten Kriegstage aus der Sicht der Wehrmacht.