Letzte Bombardierung von Linz

Mittwoch, 25.4.1945, 10 Uhr 53 vormittags. Mit Sirenengeheul kündigt sich ein neuerlicher Luftangriff der Alliierten auf Linz an. Als eine halbe Stunde später Entwarnung gegeben wurde, wiegten sich die Menschen kurzfristig in Sicherheit, doch bereits eine Viertelstunde später folgte neuerlich das Signal, die Luftschutzeinrichtungen aufzusuchen. Keine zehn Minuten später begann der zeitlich längste und die meisten Todesopfer fordernde, zugleich aber auch letzte große Bombenangriff auf Linz.

Lange hatte man in Linz vom Krieg unmittelbar nur die immer länger werdenden Gefallenen- und Vermisstenlisten mitbekommen, dazu noch die Berichterstattung in der lokalen Presse und in der Kino-Wochenschau, welche allerdings durch die nationalsozialistische Propaganda stark beschönigt war. Dabei waren die innen- und außenpolitischen Ziele des NS-Regimes von vornherein unverhohlen auf Kriegsführung ausgelegt gewesen. Die gesamte Wirtschaftspolitik zielte auf Aufrüstung ab, die Bevölkerung wurde ideologisch mit Kampfesrhetorik bearbeitet und teilweise – beginnend mit der Hitlerjugend – militarisiert. Auch die Rationierung gewisser Produkte war noch vor Kriegsbeginn 1939 eingeführt worden. Dennoch blieben Linz und die „Ostmark“ fernab der Front vom eigentlichen Kriegsgeschehen lange verschont. Das änderte sich, als am 25. Juli 1944 erstmals alliierte Bomber im Luftraum über Linz auftauchten. Möglich geworden war dies durch die Öffnung eines Fliegerstützpunktes in Italien für die Amerikaner, wodurch Österreich in die Reichweite der alliierten Bomber rückte. Dieser erste Großangriff mit ca. 500 Flugzeugen, der sich gegen die Anlagen der Rüstungsindustrie im Osten der Stadt richtete, hatte 176 Tote und 193 Verletzte zur Folge. Von diesem Zeitpunkt an wurden Fliegeralarm und Fliegerangriffe Teil des Kriegsalltags der Linzerinnen und Linzer. Der 1943 hastig begonnene Bau von Luftschutzanlagen, der bis dahin gegenüber dem propagandistisch besser verwertbaren Wohnungsbau zurückgestellt worden war, blieb in weiten Bereichen der Stadt völlig unzulänglich. Während jene Teile der Bevölkerung, die in der Nähe der Stollenanlagen im Bauernberg, Kapuzinerberg und Schlossberg lebten, über eine brauchbare Deckung verfügten, blieb anderen oftmals nur der Hausluftschutzkeller, der vielfach zur tödlichen Falle wurde.

An diesem 25. April starben weitere 360 Menschen im Bombenhagel, der dem Bahnhof und den Rüstungsbetrieben gegolten hat. Über 1.000 Wohngebäude wurden beschädigt oder zerstört, dazu noch der Hauptbahnhof und der Volksgartensalon. Schwere Schäden waren an den Straßen, an Strom- und Wasserleitungen zu verzeichnen. Das sich abzeichnende Ende des Kriegs wurde noch durch einen kleineren Tieffliegerangriff am 27. April sowie durch Artilleriebeschuss unmittelbar vor der kampflosen Übergabe der Stadt an die Amerikaner begleitet. Auch dabei waren insgesamt noch 32 Menschenleben zu beklagen.

Je nach Zählweise gab es 22 bzw. 24 Luftangriffe auf Linz, wobei die meisten davon durch die U.S. Air Force durchgeführt wurden und erst unmittelbar vor Kriegsende auch sowjetische Flugzeuge Angriffe durchführten. Dazu kamen aber noch einige weitere, kleinere Angriffe, die nur vergleichsweise wenig Schaden anrichteten. Die Angriffe galten in erster Linie der Rüstungsindustrie, die sich im Osten der Stadt befand (Hermann-Göring-Werke, Eisenwerke Oberdonau und Stickstoffwerke), sowie den Bahnhofs- und Hafenanlagen oder militärischen Objekten bzw. Flakstellungen. Freilich blieb auch die Zivilbevölkerung nicht verschont von den Luftangriffen, denn viele Bomben trafen nicht das eigentlich anvisierte Ziel. Besonders hart traf es in dieser Hinsicht das Bahnhofsviertel. Insgesamt 1.679 Menschen fielen den Fliegerangriffen zum Opfer, Zehntausende wurden obdachlos, zwei Drittel des Linzer Häuserbestands waren zum Teil schwer beschädigt oder völlig zerstört worden.

Obwohl das nationalsozialistische Regime genau wusste, welche Ziele im Visier der Luftangriffe standen, verbreitete man das Gerücht, dass die Bombenangriffe der Alliierten absichtlich als „Luftterror“ gegen die Bevölkerung gerichtet waren. Und während die NS-Propaganda offiziell die zivilen Opfer der Luftangriffe als den „Heldentod“ für das Vaterland gestorbene darstellte, blieben die hunderten KZ-Insassen, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter unerwähnt, die unmittelbar nach den Angriffen für lebensgefährliche Aufräum- und Bergearbeiten oder das Entschärfen von Blindgängern eingesetzt wurden.

Dokumente aus dem Archiv

Die folgenden Interviews wurden im Jahr 1965 vom damaligen Archivdirektor Wilhelm Rausch in Vorbereitung auf die Ausstellung "Linz 1945" geführt und aufgezeichnet. Daran schließen sich weitere Archivalien zum Thema Luftangriffe an.

Interview mit Gemeinderat Fred Tautermann

Ausschnitt aus einem Interview mit Gemeinderat Fred Tautermann über seine Erlebnisse aus dem Jahr 1945. Er berichtet darin über den letzten großen Luftangriff vom 25. April 1945.

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Interview mit Theresia Reindl

Ausschnitt aus einem Interview mit Theresia Reindl, die als Regimegegnerin im Frauengefängnis Kaplanhof inhaftiert war und dort den Bombenangriff vom 31. März 1945 überlebte.

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Interview mit Brandrat Josef Trölss

Ausschnitt aus einem Interview mit Brandrat Josef Trölss, der als Oberleutnant der Feuerschutzpolizei für die Bekämpfung der aus den Bombenangriffen resultierenden Brände zuständig war und über die Schwierigkeiten, mit denen man zu kämpfen hatte, berichtet.

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Privater Brief über den Luftangriff vom 25. Februar

Brief Luftangriff 1945 (PDF | 3,60 MB)

Brief, der anschaulich über die Zustände unmittelbar nach dem Luftangriff vom 25. Februar 1945 berichtet. Es handelte sich dabei um einen der größten und folgenreichsten Angriffe auf Linz, bei dem über 200 Tote zu beklagen waren, darunter 40 Insassen des Polizeigefangenenhauses an der Mozartstraße. Dem vierseitigen Originalbrief folgt eine Transkription des Textes.

Luftangriffe auf Linz 1944 - 1945 (ohne Ton)

Zusammenschnitt von historischen Filmaufnahmen zum Thema Luftangriffe auf Linz. Das Material wurde teilweise nach 1945 nachgestellt (Menschen, die in einen Luftschutzstollen eilen), stammt aber zum Großteil aus dem Jahr 1944 (Angriff auf die „Hermann-Göring-Werke“ und daraus resultierende Schäden sowie Aufräumarbeiten).

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Beklemmende Einsichten in die Thematik der Luftangriffe bieten im Archiv Broschüren und Werbeprospekte wie der hier gezeigte, die dem Luftschutz dienende Produkte wie Kindergasmasken oder auch Verdunkelungsrollos vorstellen.

Was im Ernstfall eines Luftangriffes zu tun war, wurde der Linzer Bevölkerung unter anderem durch dieses Merkblatt erklärt. So war es notwendig, darüber Bescheid zu wissen, wo sich der nächstgelegene Schutzkeller befand und an wen man sich im Schadensfalle wenden sollte.

Auszug aus dem Flak-Tagebuch der Flak-Batterie am Hagen. Das im Archiv der Stadt Linz verwahrte Heft verzeichnet minutengenau die Tätigkeit der Flak-Batterie und enthält ein mehrseitiges Dokument mit der Erläuterung von Tarnbezeichnungen in Funksprüchen und ihre Bedeutung. Das Tagebuch wurde auch mit diesen Codenamen geführt.